domingo, 18 de octubre de 2009

Interview mit honduranischem Gewerkschafter

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Carlos H. Reyes ist unabhängiger Präsidentschaftskandidat in Honduras und Mitglied der Nationalen Front des Widerstandes gegen den Putsch. Außerdem ist er Sekretär der GetränkeherstellerInnen-Gewerkschaft
- Zuallererst: Was ist mit Ihrem Arm passiert?
Nach dem Putsch am 28. Juni gab es eine Periode von sehr starker Repression, denn die PutschistInnen geniessen keineswegs die Unterstützung der honduranischen Bevölkerung. Das mit meinem Arm passierte am 30. Juli. Wir demonstrierten vom Norden der Stadt hin zum Parlamentsgebäude. Wie immer war diese Demonstration friedlich, doch die Polizei und die Armee umzingelten uns und schlugen auf uns los. An diesem Tag erschossen sie auch einen Lehrer. Ich versuchte, über eine Mauer zu entkommen. Aber genau als ich springen wollte, wurde ich auf den Hinterkopf gehauen und ich fiel auf meinen Arm. Ich musste ins Krankenhaus und bekam sechs Pins in den Arm, und es wird noch lange dauern, bis es verheilt ist. Aber ich hatte Glück, denn viele andere KollegInnen wurden ermordet.

- Weit über die Linke hinaus wird in Honduras ein Boykott der für den 29. November angesetzten Wahlen gefordert. Sie sind unabhängiger Präsidentschaftskandidat - wollen Sie tatsächlich antreten?
Die Wahl war ursprünglich von dem rechtmäßigen Präsidenten Manual Zelaya angesetzt worden – unter dieser Voraussetzung hatte ich mich zur Kandidatur bereiterklärt. Die PutschistInnen, die Zelaya am 6. Juni aus dem Amt entfernten, hatten aber von Anfang an vor, ihren Staatsstreich mit Hilfe dieser Wahl zu legitimieren. Wir hingegen bestehen darauf, dass die verfassungsmäßige Ordnung wieder hergestellt wird, wir haben auch die ganze Zeit auf den Straßen gegen die PutschistInnen demonstriert. An der Wahl werden wir daher auch nicht teilnehmen. Im Gegenteil – wir rufen alle linken KandidatInnen zum Boykott auf.

- Wie begann das Projekt der unabhängigen Kandidatur?
Unsere Gewerkschaft gehört seit längerer Zeit zur Nationalen Koordinierung des Widerstandes der Bevölkerung (CNRP). Diese Koordinierung, der ArbeiterInnen- und BäuerInnenorganisation im ganzen Land angehören, hat ein Zwölf-Punkte-Programm, um der neoliberalen Agenda zu begegnen, und wir organisierten verschiedene Proteste, um dieses Programm durchzusetzen. Doch wir haben keine elektoralen Mechanismen, d.h. keine Partei. (Es gibt die Partei "Demokratische Vereinigung" (UD), aber die ist nicht so breit augestellt wie die Koordinierung.)
Wir von der Gewerkschaft STIBYS schlugen unabhängige Kandidaturen vor, um den verschiedenen Sektoren eine politische Stimme zu geben, damit z.B. BäuerInnen in ihrem eigenen Departement eine Kandidatur aufstellen könnten. Genauso die Frauen, die Gewerkschaften usw. Jetzt haben wir die Präsidentschaftskandidatur und drei BürgermeisterInnenkandidaturen. Unser Vorschlag kam letztes Jahr im Juli, aber erst im April wurde die Kandidatur beschlossen. Wir brauchten 40.000 Unterschriften, aber in fünf Wochen sammelten wir mehr als 63.000. Damit zeigten wir auch den anderen Organisationen, dass diese Kandidaturen ein wichtiges Instrument für den politischen Kampf sein können.
Die Unterschriften übergaben wir den Behörden, aber dann kam der Putsch. Danach sagten sie uns, dass 7.000 Unterschriften ungültig waren. Aber wir hatten schon so viele, dass sie uns einschreiben mussten.
Für mich war es ganz lustig, als auf einer Demo ganz viele JournalistInnen auf mich zukamen und fragten, ob ich die neuste Nachricht gehört habe: "Sie sind jetzt Präsidentschaftskandidat, sie brauchen also nicht mehr an Demonstrationen teilzunehmen!" Als ob das der Sinn meiner Kandidatur wäre!

- Sie haben Ihre Kandidatur aber noch nicht zurückgezogen?
Um zur Wahl antreten zu können, mussten wir viele Unterschriften sammeln. Wir organisieren in den nächsten Wochen zahlreiche Versammlungen, um den UnterzeichnerInnen unsere Position zu erläutern. Denn sie müssen das letztlich entscheiden.

- Honduras hat, ähnlich wie die USA, ein Zwei-Parteien-System: Die Liberale Partei und die Nationale Partei wechseln in der Macht. Wie wollen Sie das durchbrechen?
Gerade durch solche unabhängigen Kandidaturen. Denn eine große Mehrheit fühlt sich nicht durch diese Parteien vertreten – die Wahlbeteiligung hier liegt in manchen Departements unter 50%, und das war vor dem Putsch. Jetzt zeigen wir den Leuten, dass auch arbeitende Menschen Politik machen können.

- Die Putschregierung hat angesichts der vielen Proteste den Ausnahmezustand verhängt. Der läuft zwar zwei Wochen vor dem 29. November aus – aber wirkt er sich nicht auch auf den Wahlkampf aus?
Es ist völlig egal, ob das entsprechende Dekret ausläuft oder nicht. Einen faktischen Ausnahmezustand hatten wir schon seit dem Putsch, wir werden ihn auch weiterhin haben. Das Dekret hat dem ganzen nur ein legalistisches Mäntelchen umgehängt. Proteste gegen das Putschregime werden mit Gewalt unterdrückt, die Medien der Opposition wurden geschlossen. Auch Versammlungen sind verboten – sie finden aber dennoch statt. Von einem gesellschaftlichen Dialog kann also keine Rede sein. Unter den Bedingungen der Repression kann es keine Wahlen geben.
Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen, um den Widerstand gegen die PutschistInnen auszuschalten. Die haben es vielleicht geschafft, dass deswegen weniger Menschen demonstrieren – das ändert aber nichts daran, dass der Widerstang gegen die jetzige Regierung immer stärker wird.

- Viele Linke fordern einen Generalstreik, um das Regime stürzen zu können. Wie stehen Sie als Gewerkschaftsführer dazu?
Es gab vergangenes Jahr mehrere »zivile Ausstände«, die das Land jeweils einen Tag lang lahmgelegt haben. Nach dem Putsch gab es vor allem im staatlichen Sektor Aktionen – die LehrerInnen streiken sogar zwei Tage in jeder Woche. Im privaten Sektor hingegen tut sich kaum etwas, weil es dort kaum Gewerkschaften gibt. Für einen landesweiten Generalstreik sehe ich daher kaum eine Möglichkeit – es gibt aber auch andere Möglichkeiten. In den vergangenen Monaten etwa ist es mehrfach gelungen, durch die Besetzung von Brücken und Straßen das Land so gut wie lahmzulegen.

- Sie fordern in ihren Communiqués die Einberufung einer Konstituierenden Versammlung. Doch Manuel Zelaya ist bereit, diese Forderung als Teil der Verhandlungen aufzugeben. Wie wollen Sie die Konstituante trotzdem durchsetzen?
Als Teil der Widerstandsbewegung fordern wir zwei Dinge: Die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Wiedereinsetzung von Präsident Zelaya. Zweitens die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung.
Das Abkommen von San José beinhaltet die Rückkehr von Zelaya, aber nur unter Bedingungen: Eine dieser Bedingungen ist der Verzicht auf die Konstituante. Wir lehnen alle diese Bedingungen ab. Wenn Zelaya auf die Konstituante verzichten will, dann ist das seine Sache – wir machen das auf jeden Fall nicht. Wir werden weiterhin auf der Straße für die Konstituante kämpfen.
Wir lehnen auch die im Abkommen von San José enthaltene Amnestie ab, denn den PutschistInnen werden wir den Prozess machen müssen. Unsere Agenda ist einfach nicht die Agenda von Mel.

- Was kann das Ausland tun, um Ihren Widerstand zu unterstützen?
Die US-Regierung spielt im Fall Honduras mit gezinkten Karten. Präsident Barack Obama spricht sich zwar gegen den Putsch aus – Militär und Industrie hingegen unterstützen die Putschisten.
Wir fordern ArbeiterInnen- und BäuerInnenorganisationen auf der ganzen Welt zur Solidarität mit der Bevölkerung von Honduras auf, denn dieser Staatsstreich könnte auch in anderen Ländern als Modell dienen, um den Fortschritt zurückzudrehen. Wir brauchen Solidarität, denn hier droht ein Blutbad: Die Menschen, die diesen Putsch anführen, sind die gleichen, die in den 80er Jahren den "Krieg der niedrigen Intensität" führten – als der US-Botschafter Negroponte hier das Sagen hatte, waren diese Menschen dafür verantwortlich, viele Menschen zu töten oder verschwinden zu lassen.

Interview: Wladek Flakin*, Tegucigalpa, 4. Oktober 2009 – unabhängige Jugendorganisation REVOLUTION – www.revolution.de.com (Redaktionelle Überarbeitung: Thies W. – SAV Hamburg)
Fuente: de.indymedia.org
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